Die Sehnsucht erfüllt

Der SC Freiburg schlägt den deutschen Meister aus Dortmund in der zweiten Runde des DFB-Pokals mit 3:0 und erinnert mit seiner Spielweise nicht nur seine Anhänger an frühere, erstklassige Zeiten

aus Freiburg TOBIAS SCHÄCHTER

Der französische Schriftsteller Stendhal war ein sensibler Mensch. Bei einem Spaziergang durch Florenz fiel er irgendwann in Ohnmacht. „Zu viel, zu viel Schönheit“, soll der von der Pracht der Stadt Überwältigte noch im Taumeln gesagt haben. Der Vorfall fand Einzug in die Medizingeschichte. Unter dem „Stendhal-Syndrom“ leidet, wem beim Anblick prächtiger Kunstwerke die Sinne schwinden. Die Zahl am „Stendhal-Syndrom“ erkrankter Fußballfans hält sich nach vorsichtigen Schätzungen in Grenzen. Erringt die Mannschaft ihres Herzens einen glanzvollen Sieg, so äußert sich die Begeisterung der Fangemeinde zumeist in kollektiver, klatschender, hüpfender und sehr lebendiger Ekstase, untermalt von lautem Gesang.

So gesehen und gehört am Dienstagabend, als Zweitligist SC Freiburg den deutschen Meister Borussia Dortmund aus dem DFB-Pokal kegelte. Der bunte Strauß der Fußballästhetik, den die Freiburger beim 3:0 boten, erinnerte an Zeiten, in denen die Freiburger noch in Liga eins ihre Künste zeigten und als Breisgau- Brasilianer gefeiert wurden. Mutige Tacklings und schneidiger Biss verbanden sich mit Doppelpässen, Hackentricks und wunderbar herausgespielten Toren zu einer tödlichen Melange für einen Gegner, der außer der Überheblichkeit des Klassenhöheren nichts zu bieten hatte.

Volker Finke, Freiburgs Trainer, sah’s mit Wohlwollen. „Wir haben heute die Sehnsucht unserer Fans nach großem Fußball gestillt.“ Die Realität ist für die Freiburger eine andere und deshalb unkt Finke: „Dieses Ergebnis macht die Sache in der Liga nur noch schwerer.“ Dabei roch Finke die „kleine Überraschung“ schon vor dem Spiel. Entgegen der Liga-Gewohnheit freuten sich die Freiburger, endlich mal wieder nicht die Bürde des Favoriten tragen zu müssen. Deshalb nannte ihr Trainer die Begegnung im Vorfeld auch „das einfachste Spiel der Saison“. Besonders auf die Jüngsten schien die Außenseiterrolle befreiende Wirkung zu haben: Die 20-jährigen Sascha Riether und Jan Männer nutzten die große Bühne, um zu zeigen, welch Talent in ihnen schlummert. U20-Nationalspieler Riether gewann das Duell gegen Lars Ricken klar, Männer sorgte kurz vor der Pause mit dem 2:0 für die Vorentscheidung und mit klugen Pässen immer wieder für Überraschungen. Kein Wunder, dass Finke stolz auf seine beiden Youngsters ist. Nach ihrem glanzvollen Auftritt bedankten sie sich artig bei ihrem Trainer für das Vertrauen.

Stolz war Matthias Sammer nun gar nicht. Weder auf seine Mannschaft noch auf sich. „Vielleicht habe ich zu wenig Druck aufgebaut“, sagte der Freund der Idee vom lebenslangen Lernen selbstkritisch. Sechs Spieler – Rosicky, Koller, Frings, Metzelder, Evanilson und Keeper Lehmann – beließ er zu Schonung draußen. Ob dies nicht der vorzeitige Verzicht auf das Weiterkommen bedeutet habe, wurde Sammer gefragt. „Das glauben Sie ja selbst nicht“, war die Antwort.

Dann wurde es plötzlich politisch. „Die Naturenergie gewinnt gegen EON, so einfach ist das. Ist doch logisch, dass die nachhaltigere Energieform gewinnt.“ Ein sicherer Lacher für Volker Finke. Das Lächeln Sammers dazu wirkte gequält. Nach dem Exkurs in die Umweltpolitik hatte Sammer aber dann doch noch eine klare Aussage parat: „Wir sind eben noch keine richtige Spitzenmannschaft.“

Wie schrieb Stendhal: „Alles Unglück unseres Lebens rührt von der falschen Auffassung unserer Schicksale her. Eine gründliche Menschenkenntnis und eine gesunde Beurteilung der Ereignisse bedeuten einen Schritt auf das Glück zu.“

DFB-Pokal, 2. Runde: Hoffenheim - 1. FC Köln 1:5, Unterhaching - Union Berlin 1:0, Oberhausen - Bielefeld 1:0, 1860 München - Wolfsburg 8:7 i.E., HSV - Duisburg 2:0, Rostock - Frankfurt 1:0